Quelle: Heilbronner Stimme

von: Stefanie Wahl

Hannes Vitense wird Bundestrainer der deutschen Schwimm-Nationalmannschaft und der Neckarsulmer Christian Hirschmann übernimmt die Position des Teammanagers.

Zwei Männer lachen. So herzlich, dass der Milchschaum in ihrem Cappuccino wippt. Sie kennen sich. Sie mögen sich. Und sie verstehen sich als Team. „Wir unterstützen uns mit Ruhe und Gelassenheit“, sagt Hannes Vitense und schaut Gegenüber Christian Hirschmann an. Es geht um ihre Zeit.

Davon haben sie künftig noch weniger. „Wir müssen die Welt nicht gleich am ersten Tag retten oder neu erfinden. Das geht nicht“, schiebt Vitense nach. Sie verfolgen einen langfristigen Plan.

Schon an der Wohnungstüre ist klar, um was es geht. Oberhalb des Schlosses klebt ein Sticker. Darauf steht: Tokio 2020. Hannes Vitense und Christian Hirschmann übernehmen im deutschen Schwimm-Nationalteam vom 1. Februar an gewichtige Rollen. Der 36-jährige diplomierte Sportwissenschaftler wird neben Bernd Berkhahn aus Magdeburg Bundestrainer, der 32-jährige Hirschmann agiert als Teammanager.

Ziel: Näher an die Weltspitze rankommen

Die Personalia samt Neustrukturierung sind nötig geworden, weil Cheftrainer Henning Lambertz im Dezember zurückgetreten ist – und im Verband (DSV) längst nicht alles im Fluss gewesen ist. Thomas Kurschilgen, neuer Direktor Leistungssport im DSV, drückt die Aufgabe des neuen Teams Tokio 2020 so aus: „Sie entwickeln eine langfristige Strategie, um den deutschen Schwimmsport in seiner Gesamtheit näher an die Weltspitze zu führen.“

Das ist eine Herausforderung. Und eine große Verantwortung. Daher gehen sie ihre vielfältigen Aufgaben gemeinsam an. Jeder mit seinen Stärken, seinen Kompetenzen. Was für ehrgeizige, aber auch umtriebig-agile Macher Hannes Vitense und Christian Hirschman sind, hat sich binnen kurzer Zeit in Neckarsulm gezeigt. Es ist ein Kompetenz-Zentrum entstanden, in dem inzwischen einige von Deutschlands besten Schwimmern leben.

Neckarsulm als Außenstelle des Stützpunktes Heidelberg

Das bleibt auch dem Verband nicht verborgen. Der Standort Neckarsulm ist Außenstelle des Bundesstützpunktes Heidelberg. Das heißt, dass erstmalig auch Bundesgelder nach Neckarsulm fließen. Die Stelle von Hannes Vitense ist zu hundert Prozent vom DSV finanziert. Doch als Bundestrainer verändern sich seine Aufgaben.

Er kümmert sich weiterhin um die Topathleten der NSU wie den EM-Dritten Henning Mühlleitner, doch sein Wirken um den Nachwuchs muss kompensiert werden. Geht es nach Christian Hirschmann, mit einer vom Landesschwimmverband finanzierten halben Trainerstelle. Das Ziel: Entlastung schaffen, um die Stabilität in Neckarsulm zu halten.

Doch: Ein Neckarsulm ist nicht genug. Der DSV braucht nachhaltige Strukturen statt, wie bisher, zahlreicher Insellösungen. Schwimm-Deutschland muss in der Fläche stärker werden. Hannes Vitense sagt: „Ziel muss es sein, den Leuten Gehör zu geben, ihre Kompetenzen wachsen zu lassen.“ Das benötigt Zeit, sind doch viele lange vom System enttäuscht worden, entsprechend kritisch und müssen daher erst wieder Vertrauen finden. Dazu ist das Aufgabenpaket höchst vielschichtig.

Mit Power nach Tokio

Doch: „Keiner will sich profilieren“, meint Vitense, „wir wollen sehr sachlich, zielgerichtet und mit enormer Power Richtung Tokio gehen. Je schneller wir das an die Basis bringen, umso besser.“ Christian Hirschmann intensiviert und verändert die interne Kommunikation, um sie zu stärken. Er wird aber auch nach den Neckarsulmer Werten arbeiten: Hier zählen familiäre Atmosphäre, Fleiß, Disziplin, Ehrlichkeit und 110 Prozent Einsatz. Aktuell sondiert das Duo die Lage, telefoniert viel, um alle in alle Überlegungen mit einzubinden.

Auch die Athleten. Bei einer Bundesliga-Veranstaltung in Essen Anfang Februar. Ein Treffen im lockeren Rahmen, ein Essen. Um ansprechbar zu sein. Nahbar. Was das bedeutet, hat Christian Hirschmann schon bei den Kurzbahn-WM im Dezember in Hangzhou gezeigt, als er den Athleten zwischendurch mal eine Waffel holt oder gar mit ins Wasser springt.

„Ich habe auch einen sehr guten Draht zu vielen Athleten und Coaches“, sagt Hannes Vitense, der den Stützpunkt Saarbrücken mit aufgebaut hat. Ende März geht es mit einem Mammutaufgebot nach Stockholm. Der Swim Cup als Aha-Erlebnis, gemeinsam erleben, was es heißt, Teil von Team Deutschland zu sein. Schließlich geht es bei der WM im Juli in Gwangju bereits um die Olympia-Qualifikation für Tokio. „Es muss uns gelingen, dass sich jeder als Teil des Systems versteht“, sagt Christian Hirschmann. Wissend, dass viele letztlich doch nur Medaillen sehen wollen.


Die Personen Hirschmann und Vitense

Hannes Vitense ist Papa der vierjährigen Lia. Mit seiner Frau Birte Steven-Vitense lebt der gebürtige Hannoveraner seit Anfang 2018 in Neckarsulm und arbeitet am dortigen Schwimm-Standort als Trainer sowie vom 1. Februar an als Bundestrainer. Zuvor hat der Sportwissenschaftler in Saarbrücken gewirkt. Christian Hirschmann ist mit Mattika Fischer verheiratet und lebt seit 2015 in Neckarsulm. Der 32-Jährige ist geschäftsführender Gesellschafter der Rath Holding GmbH.